Nachfolgende Story ist schon ein wenig älter, aber (und das ist das wichtigste) sie ist zeitlos, denn sie handelt von zeitlosen Songs und den Leuten, die diese früher und heute hörten / hören. Viel Spaß!

Mittwoch, 11.11.1981, Karlsruhe, Schwarzwaldhalle. Saxon. Unser erstes Metal-Konzert. Klar, ich hatte ein Jahr zuvor bereits Uriah Heep gesehen, aber dies hier war die Welle der neuen britischen Metal-Bands und von der hatten wir bislang lediglich in den Plattenläden bzw. den spärlichen Berichten der Teenie-Gazetten mitbekommen: Judas Priest, Iron Maiden, Def Leppard, Dio, Ozzy Osbourne, Krokus, MSG, Accept, Molly Hatchet, Motörhead, Scorpions, AC/DC, Blackfoot und viele mehr und eben Saxon. Zusammen mit Ozzy Osbourne und Riot (die mit „Fire down under“ gerade einen Klassiker am Start hatten) sollten diese in der Schwarzwaldhalle spielen. Kurz zuvor erfuhren wir jedoch, daß für Riot eine Band namens Revolver auftreten sollte. Sei´s drum, der Tag des Konzerts wurde bereits sehnsüchtig erwartet und als wir, wie es sich für führerscheinlose 16-und 17-jährige gehörte, per Straßenbahn an der Halle eintrafen, gesellten wir uns gleich ehrfurchtsvoll zu der bereits am Eingang wartenden Schar von Kuttenträgern, die wir für ziemlich erwachsen und eben heavy hielten. Lederjacken und Jeans waren Trumpf (schließlich befanden wir uns ja auch auf der „Denim and Leather“-Tour), Nieten und alle möglichen Aufnäher der angesagten Bands. Kalt war es und so waren wir froh, als man uns zunächst mal in die Vorhalle einließ, wo wir sogleich zu den T-Shirt-Verkaufsständen strömten und unsere 20,--DM-Scheine zückten. Die Motive der T-Shirts spiegelten sich in wilder Begeisterung und Vorfreude in unseren Augen wie sonst nur Christbaum-Beleuchtung in den Augen kleiner Kinder, die voller Vorfreude aufs Christkind warten. Motorräder waren´s, die stolz auf Front-und Rückenpartie der von uns erstandenen Shirts prangten, vorne der rote Saxon-Schriftzug und hinten die Tourdaten („Karlsruhe Black Forest Hall“ stand da geschrieben und wir waren genau DORT!). So ausgerüstet und neu gekleidet stürmten wir in den hell erleuchteten Innenraum und mußten Revolver über uns ergehen lassen. Keiner kannte sie und keinem gefiel, was die dunkelhäutige Schreihälsin und die Gitarristen mit ihren peinlichen Revolver-Gitarren da an nichtssagendem Hardrock abließen und so waren wir im Verbund mit den etwa 1.500 Leuten heilfroh, diese auch lautstärkemäßig übertriebene Vorstellung überstanden zu haben. Dann war Ozzy an der Reihe, jeder besaß natürlich die beiden Solo-LP´s „Blizzard of Oz“ und „Diary of a madman“ und kannte logischerweise auch die alten Sabbath-Sachen, so daß der Gig in Windeseile verflog, „Crazy train“ und „Mr. Crowley“ mit seinem mystischen Orgel-Intro und ein sich bekreuzigender Ozzy Osbourne sowie das fantastische Gitarrenspiel von Rhandy Rhoads bleiben auf ewig im Gedächtnis des heutigen Erzählers zurück.

Und dann kamen sie, die Heroen aus England und sie starteten mit „And the bands played on“. Jetzt war die Meute wirklich am Toben und wir mittendrin. „747 (Strangers in the night)“, „Princess of the night“, „Strong arm of the law“ und wie unsere Begleiter durch unsere Halbstarkenzeit alle hießen, alle wurden mit ohrenbetäubender Lautstärke in die Halle geblasen. Und obwohl uns schon gegen Mitte des Konzerts schier die Ohren abgefallen waren und wir ein lautes Pfeifen nicht nur vom Saxon-Frontmann vernehmen konnten, so antworteten wir alle auf Biffs Frage „Is it loud enough for you tonight?“ mit einem lauten, trotzigen „Nooooooooo....“ (schließlich waren wir Metal-Fans) und es schien, als würde danach alles NOCH lauter, quasi als Belohnung für unsere Sturheit und für das alte Klischee, daß Metal nun mal laut sein müsse, was an diesem Abend aber auch haargenau zutraf, auch wenn das Wörtchen „laut“ nicht annähernd das wiedergeben kann, was da wirklich über uns hereinbrach. Als wir mitten in der Nacht aus der Halle stolperten, waren wir klatschnaß, der Nacken tat weh vom Bangen und die Ohren von der Lautstärke, heiser waren wir vom Mitbrüllen („Whiieehhiiieeeells, Whiieehhiiieeels of stiieehhll“) und vollkommen happy, bei einem genialen Konzert gewesen zu sein, von welchem die Badischen Neuesten Nachrichten tags darauf schrieben, daß man sich aufgrund massiver Proteste der auf der anderen Straßenseite befindlichen Anwohner sowie aufgrund der Lautstärke zu Bruch gegangener Hallenfenster (!) überlegen müsse, weiterhin Heavy Metal-Konzerte in der Schwarzwaldhalle stattfinden zu lassen. Mehr als ein triumphierendes Lachen hatten wir nicht für diese Spießer übrig.

Und so beschrifteten wir auch weiterhin unsere Schulbänke mit den bekannten Schriftzügen und bekannten uns stolz zu der verschworenen und langsam aber sicher stetig wachsenden Minderheit, die laute Gitarren und geile Riffs der pseudo-intellektuellen Musik aller Zappas oder Genesis´ bzw. der schrecklichen Neuen Deutschen Welle vorzogen und wir liefen auch weiterhin mit unseren Shirts durch die Gegend und wir fielen auch weiterhin dadurch auf, daß wir uns die Platten mit den martialischsten Covers kauften. Es war gigantisch damals.

Zeitsprung

Sonntag, 17.12.1995, Ludwigshafen, Eberthalle. Saxon. Nach über 14 Jahren. Die Band hatte ihre Hochs und Tiefs, hatte Besetzungswechsel, aber sie hat überlebt. Genauso wie wir. 14 Jahre älter sind wir geworden, über 30 mittlerweile, Tiefs haben die meisten von uns nur in Sachen Haarwuchs zu verzeichnen (na ja, ich zum Glück nicht, hi hi..) und die alten T-Shirts von damals passen auch nicht mehr. Na ja, allzu viele der älteren HM-Fraktion sind nicht gekommen, um die alten Faves mal wieder zu sehen, die meisten sind jüngeren Datums und waren, als wir vor 14 Jahren den ultimativen Schlag mit der Phon-Keule abbekamen, vielleicht gerade mal in Planung. Da merkt man dann, daß man alt geworden ist, auch wenn wir uns noch nicht so alt fühlen, ansonsten wären wir nämlich nicht zum Konzert gekommen, sondern hätten wie viele andere unseren Alters mit den Kinderlein gespielt und Pur gehört, uuaahhhhh...Und was soll ich sagen, es war toll, die alten Jugend-Hymnen nach all der Zeit wieder mal zu hören, die „Wheels of steel“ wieder rollen zu hören, „Crusader“, das lauthals mitgesungene „Princess of the night“ („She used to be an iron horse, twenty years ago, used to bring the metal to me through the ice and snow“, diese Zeilen werde ich mein ganzes Leben lang nicht vergessen) und auch unser damaliges Tourmotto „Denim and leather“ kam zu neuen Ehren. Klar, auch allerhand Neues wurde geboten, die Titelsongs „Forever free“, „Dogs of war“ und „Solid ball of rock“ sind genauso gut wie die alten Klassiker, dafür gefiel uns ein langsamer Akustiksong namens „Iron Wheels“ zwar ebensowenig wie manch anderer Neuling, dies jedoch schreiben wir einfach mal der Tatsache zu, daß auch Sänger Biff Byford 14 Jahre älter geworden ist und nicht mehr 90 Minuten am Stück Gas geben kann. Und schließlich waren wir auch froh, zwischendurch mal eine Ruhepause für die ziehende Rückenpartie einlegen zu können. Vor 14 Jahren hätten wir uns wohl über so etwas totgelacht. Aber vor 14 Jahren hatte Biff Byford schließlich auch noch keine weißgrauen Haare und der Begriff „akustische Gitarre“ war in seinem persönlichen Wörterbuch ebensowenig zu finden wie verschlissene Nackenmuskulatur bei uns (bei Guido, hi hi..). Kollektives Älterwerden also.

Als das Hallenlicht wieder eingeschaltet wurde, waren wir weder taub von der Lautstärke (hier war  Band-seitig ein Reifeprozeß eingetreten, oder hatte man gar nur Mitleid mit den treuen Altfreaks?), noch waren wir heiser vom Mitbrüllen (der Stimmunfang wächst mit dem Alter), klatschnaß waren wir auch nicht (ab 30 teilt man sich die Kräfte ein) und die schier wahnwitzige Begeisterung von damals konnte beim Gedanken an die metallische Gegenwart ebenfalls nicht mehr aufkommen. Bewohner haben sich auch keine mehr über die Lautstärke beschwert, Fensterscheiben gingen keine zu Bruch und niemand macht sich mehr Gedanken darüber, ob man solche Konzerte überhaupt noch stattfinden lassen sollte, da diese Art von Musik mittlerweile als eher gemäßigt anzusehen ist. Aber ein klein wenig happy waren wir trotzdem, denn die alten Songs haben immer noch Bestand.

Und so beschriften wir zwar keine Schulbänke mehr mit Schriftzügen, lassen dafür die Klassiker aber unüberhörbar aus unseren Auto-Anlagen krachen und ziehen so die Aufmerksamkeit der Spießer auf uns wie seinerzeit mit den T-Shirts und den Plattencovern und ab und an ertappen wir uns dann bei dem mit verräterischem Glanz in den Augen geäußerten Gedanken: Es war gigantisch damals.

Frank